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Studientypen
- 20. Juli 2018
- Posted by: Mika
Möchtest Du eine bestimmte Fragestellung empirisch untersuchen, ist eine der ersten Entscheidungen, die Du treffen musst, welche Art von Untersuchung Du durchführen wirst.
Verschiedene Designs bringen verschiedene Vor- und Nachteile mit sich, und es hängt von den Hypothesen und den zu Verfügung stehenden Mitteln ab, welche Studienart jeweils geeignet ist, um die Fragestellungen beantworten zu können.
Das A und O für richtig gute Studiendesigns, die zur Überprüfung von Hypothesen geeignet sind, ist Kreativität. Es gibt natürlich schon ein großes Repertoire an bewährten Paradigmen, Aufgaben und Materialien, auf die Du bei der Entwicklung einer Studie zurückgreifen kannst. Neue Ideen bereichern aber die Forschungswelt und können dazu beitragen, den Untersuchungsgegenstand von einer anderen Perspektive zu beleuchten oder um weitere Aspekte zu ergänzen. Vor allem wenn Du eine Felduntersuchung machen möchtest, gibt es oft keine offensichtliche Möglichkeit, an geeignete Daten zu kommen. Um zu untersuchen, ob deskriptive („die meisten machen es so“) oder präskriptive („so sollte es gemacht werden“) Normen effektiver sind, haben Forscher verschiedene Werbeflyer für zum Stromsparen oder Kampagnen gegen Piraterie verbreitet und anschließend erhoben, ob die Darstellungsform einen Einfluss darauf hatte, wie viele illegale Medien in der Nachbarschaft heruntergeladen wurden oder wie viel Strom die Haushalte im Vergleich zum Vorjahr verbraucht haben.
Studientypen werden in Labor- und Felduntersuchungen eingeteilt, deren Merkmale, Vor- und Nachteile im nächsten Abschnitt diskutiert werden. Die Entscheidung zwischen Labor- und Felduntersuchungen ist häufig eine Abwägung zwischen interner und externer Validität.
Untersuchungen über einen längeren Zeitraum hinweg mit mehreren Messzeitpunkten heißen Längsschnittuntersuchungen, im Gegensatz dazu beinhalten Querschnittsstudien nur eine einzelne Erhebung. Eine besonders lang angelegte Längsschnittstudie, die eine bestimmte Gruppe mit einem gemeinsamen biographischen Ereignis über einen langen Zeitraum, meist über viele Jahre oder sogar Jahrzehnte hinweg begleitet, heißt Kohortenstudie. Eine solche Kohorte können alle Menschen eines bestimmten Geburtenjahrganges oder Einschulungsjahrgangs sein, oder auch die Kohorte aller Menschen, die innerhalb eines gewissen Zeitraumes ein Kind bekommen haben.
Labor- vs. Felduntersuchung
Die erste grundlegende Unterscheidung zwischen Studien ist, ob es sich um eine Labor- oder eine Felduntersuchung handelt. Wie der Name schon sagt, ist ersteres eine eigens für die Untersuchung geschaffene, über alle Probanden hinweg standardisierte Situation, in der die Probanden Anweisungen, Aufgaben oder Fragebögen bekommen, die sie bearbeiten sollen. Oft werden diese Studien in Laboren der Universität oder Forschungseinrichtung durchgeführt. Mittlerweile finden sie oft in Form von Online-Erhebungen statt. Eine Feldstudie ist dagegen eine Untersuchung unter natürlichen Bedingungen, in der das Verhalten in realen Situationen beobachtet und dokumentiert wird.
Bei Felduntersuchungen unterscheidet man zudem zwischen offener und verdeckter Beobachtung. Bei ersterem wissen die beobachteten Personen über die Untersuchung Bescheid, etwa während einer Lehrprobe in der Schule: Schüler und Lehrperson wissen, dass eine bewertende Person anwesend ist. Bei verdeckter Beobachtung wissen die Personen nicht oder höchstens am Rande über die Untersuchung Bescheid. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn das Kaufverhalten untersucht werden soll und dazu im Geschäft Kameras installiert sind oder wenn sich ein Beobachter auf die Straße stellt und bestimmte Verhaltensweisen oder Eigenschaften der Passanten notiert.
Ethische Richtlinien verlangen den Schutz der Privatsphäre von Personen, sodass der Nutzen verdeckter Beobachtungen gegen mögliche Überschreitungen der Privatsphäre abgewogen werden muss. Verdeckte Beobachtungen eignen sich im öffentlichen Raum aber nicht im privaten Umfeld. Der Vorteil dieser subtileren Beobachtungsform liegt darin, dass die Personen sich dann natürlich verhalten und keine sozialen Faktoren wie soziale Erwünschtheit oder Reaktanz Verhaltensveränderungen bewirken. Stell Dir vor, Du möchtest eine Untersuchung zum Umgang mit familiären Konfliktsituationen durchführen. Dazu besuchst Du die Familien tagsüber in ihren Haushalten und dokumentierst das Verhalten: Wahrscheinlich werden sich die Familienmitglieder dann anders verhalten, möglicherweise Konflikte verbergen oder Aggressionen und Streitereien unterdrücken, da es unangenehm ist, diese Verhaltensweisen vor fremden Personen zu zeigen. In diesem Fall könnte der Messvorgang, also die offensichtliche Beobachtung, die zu beobachtenden Variablen beeinflussen; man nennt das auch intrusive Messung. Installierst Du hingegen mit der Einwilligung der Familie Kameras in den Wohnräumen, lässt dieser Effekt vermutlich mit der Zeit nach, da die Familien vergessen, dass Kameras anwesend sind und sich allmählich wieder ganz normal verhalten.
Eine weitere Unterscheidung der Beobachtungsform ist teilnehmende oder nicht-teilnehmende Beobachtung. Eine Lehrperson in der Schule nimmt zum Beispiel gleichzeitig am Unterricht teil, bzw. leitet diesen und beobachtet aber auch ihre Schüler hinsichtlich ihrer Leistung. Hospitiert eine zukünftige Lehrerin in einer Klasse, ist sie nicht teilnehmend, da sie den Unterricht beobachtet, aber nicht aktiv daran teilnimmt. Teilnehmende Beobachtung ist vorteilhaft, da dann eine natürliche Interaktion mit den Probanden besteht. Allerdings ist die Kapazität, die man als teilnehmender Beobachter zur Verfügung hat, eingeschränkt in dem Maße, in dem die Interaktion ablenkend oder fordernd ist.
Felduntersuchungen haben eine hohe externe Validität, das heißt die Schlussfolgerungen von den Studienergebnissen auf andere Situationen sind schlüssig und zulässig. Denn Felddaten sind natürliche Daten, das heißt Daten, die auf realen Ereignissen und Verhaltensweisen in natürlichen Situationen und Bedingungen basieren. Im Labor dagegen sind Personen künstlichen Bedingungen oder Manipulationen ausgesetzt oder treffen hypothetische Entscheidungen, die keine (weitreichenden) Konsequenzen haben. Nehmen wir einmal an, Du möchtest untersuchen, wie Menschen in verschiedenen finanziellen Situationen ihr Geld investieren und wie viel Risiko sie bereit sind, für hohe Renditeerwartungen einzugehen. Deine Schlussfolgerungen sind sicherlich zulässiger, wenn Du sie auf tatsächlichen Anlagedaten basierst, als eine Laborstudie durchzuführen, in der Du Personen mit künstlichem Kapital ausstattest und ihr Anlageverhalten in einer virtuellen Situation untersuchst.
Warum werden trotzdem so häufig Laborstudien durchgeführt?
Der Hauptvorteil von Laboruntersuchungen ist deren hohe interne Validität, die möglicherweise zulasten der externen Validität geht. Während die untersuchten Situationen nicht realitätsgetreu sein mögen, sind sie in hohem Maße standardisiert. Die interne Validität ist also das Ausmaß, in dem der Versuchsaufbau logisch schlüssig ist und indem Veränderungen der abhängigen Variable auf Unterschiede in den unabhängigen Variablen und nicht etwa andere Störeinflüsse zurückführbar sind. Damit ist gemeint, dass Einflüsse auf die abhängige Variable logisch auf manipulierte oder untersuchte unabhängige Variablen zurückzuführen sind; da die sonstigen äußeren Bedingungen konstant gehalten wurden, gibt es keine (oder kaum) Störeinflüsse, die sich auf das Ergebnis ausgewirkt haben können. Die Zuweisungen zu den Bedingungen erfolgen bestenfalls randomisiert, um ausschließen zu können, dass die abhängige und unabhängigen Variablen nicht mit anderen Variablen zusammenhängt – das nennt man Konfundierung.
Dazu noch ein kurzes Beispiel: Du interessierst Dich dafür, inwiefern die Zufriedenheit am Arbeitsplatz davon abhängt, wie viel Verantwortung die Mitarbeiter tragen. Untersuchst Du diesen Sachverhalt im Feld, das heißt, Du teilst in verschiedenen Unternehmen Fragebögen zu dem Maß an Verantwortung und Zufriedenheit aus, kann es sein, dass Deine Ergebnisse durch andere Faktoren verzerrt sind. Vielleicht sind die Mitarbeiter mit mehr Verantwortung alle deutlich älter als diejenigen mit weniger, und das Alter hat möglicherweise auch einen Einfluss auf die Zufriedenheit. In diesem Fall wäre also das Alter der Mitarbeiter mit deren Verantwortung konfundiert. Oder bei einigen Personen ist der Arbeitsplatz gefährdet, und diese Unsicherheit überschattet alle Effekte von Verantwortung auf die Zufriedenheit. Dann wäre die Angst vor dem Arbeitsplatzverlust eine Störgröße, die sich auf Deine Ergebnisse auswirkt.
In den Graphiken ist ein solcher „Scheinzusammenhang“ zwischen Zufriedenheit und Verantwortung dargestellt: Zunächst sieht es so aus, als wäre die Mitarbeiterzufriedenheit abhängig davon, wie viel Verantwortung die Person im Unternehmen hat: die Regressionsgerade zeigt einen deutlichen Zusammenhang. Eine genauere Analyse zeigt aber, dass dieser Effekt vollständig vom Alter der Mitarbeiter absorbiert wird. Berechnest Du eine Regression von der Zufriedenheit auf die Verantwortung unter Berücksichtigung des Alters, wird der vormals hochsignifikante Effekt der Zufriedenheit nicht mehr signifikant. Alter und Verantwortung sind konfundiert, und man sagt, dass die Verantwortung keinen Vorhersagebeitrag zur Zufriedenheit über das Alter hinaus liefert.
Das erkennst Du an der zweiten Graphik: dort sind die Residuen der Mitarbeiterzufriedenheit auf der Y-Achse aufgetragen, also die Teile von Zufriedenheit, die nicht mit der Variable Alter erklärt werden können. Dafür ergibt sich ein Nullzusammenhang mit der Verantwortung, Verantwortung ist also kein zweiter signifikanter Prädiktor für die Zufriedenheit.
Die Graphiken verdeutlichen das: zuerst siehst Du im Scatterplot einen sehr deutlichen Zusammenhang zwischen beiden Variablen. Partialisierst du das Alter aber aus der Zufriedenheit heraus, kannst Du einen Nullzusammenhang feststellen: offenbar hat nun die Verantwortung nichts mehr mit der noch nicht erklärten Zufriedenheit zu tun.
Wenn Du aus Deinen Ergebnissen also schlussfolgerst, dass Personen mit mehr Verantwortung
(nicht) zufriedener am Arbeitsplatz sind als solche mit wenig, ist die interne Validität nicht sichergestellt. Andere Faktoren können die Zufriedenheitsunterschiede verursacht haben. In einer Laboruntersuchung, in der Du Probanden verschiedene Aufgaben gibst, die typische Büroarbeit
simulieren und deren Grad an Verantwortung manipulierst, gibt es solche Störeinflüsse nicht: Jede Person wird zufällig einer Verantwortungsbedingung zugeteilt und durch diesen Prozess unterscheiden sich die Gruppen nicht systematisch.
Wenn Du nun Unterschiede in der Zufriedenheit mit der Bearbeitung der Aufgaben findest, kannst Du diese mit hoher Gewissheit auf die Verantwortungsintervention zurückführen. Denn das ist der einzige logische Schluss.
Außerdem sind Felddaten oft nicht verfügbar oder es ist sehr aufwändig, diese zu erheben. Im Labor hat man hohe Kontrolle über die Bedingungen, kann die Abläufe standardisieren und somit eine hohe Vergleichbarkeit gewährleisten.