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Experimente
- 20. Juli 2018
- Posted by: Mika
Die einzige Möglichkeit, unanfechtbar Kausalität nachzuweisen, ist ein Experiment, auf Englisch oft Randomised Control Trial (RCT) genannt. Für ein Experiment werden die Probanden zufällig in zwei oder mehr Gruppen eingeteilt und in den Gruppen unterschiedlichen Bedingungen ausgesetzt und anschließend gemessen, ob es systematische Unterschiede zwischen den Gruppen auf der abhängigen Variable gibt. Alle anderen Bedingungen sollen möglichst gleich über die Gruppen hinweg sein.
Ein Experiment lässt sich in verschiedene Phasen unterteilen.
Der erste Schritt ist die Randomisierung, also das zufällige Zuweisen der Probanden auf die verschiedenen Bedingungen. Hier ist es sehr wichtig, dass die Einteilung nicht auf Wünschen der Probanden o. ä. beruht, denn „Selbstselektionseffekte“ können bewirken, dass Teilnehmende in unterschiedlichen Gruppen unterschiedliche Prädispositionen mitbringen, z. B. unterschiedliche Motivation.
Der Prätest: Bei allen Probanden wird die abhängige Variable erhoben. Der Prätest dient als Beleg, dass die Gruppen sich hinsichtlich der abhängigen Variable eingangs nicht unterscheiden. Oft erhebt man zusätzlich demographische Variablen oder vermutete Störvariablen, um zu unterstreichen, dass die Gruppen sich einander ähneln (z. B., dass die Geschlechterverteilung in jeder Gruppe ähnlich ist).
Es folgt die Interventionsphase (auch Manipulation genannt): Hier werden Personen unterschiedlichen Experimental- (oder Kontroll)bedingungen ausgesetzt. Es sollte immer eine Kontrollgruppe geben, in der die Probanden keiner oder nur einer minimalen Manipulation ausgesetzt sind. Wie das Kontrolldesign gestaltet sein soll, muss theoretisch begründet werden.
Solche Manipulationen können sich unterscheiden in Komplexität, Dauer und Wissen der Probanden darüber, dass sie einer Manipulation ausgesetzt sind. In einer minimalen und intransparenten Manipulation könnte den Probanden unter einem bestimmten Vorwand ein angenehmes, unangenehmes oder neutrales Bild dargeboten werden, oder einzelne Wörter in der Instruktion verändert werden. Zum Beispiel wurde in einem berühmten Experiment gezeigt, dass, wenn Probanden ein Video von einem Autounfall gezeigt bekamen, die anschließende Einschätzung, mit welcher Geschwindigkeit die Autos fuhren, von der experimentellen Bedingung abhing: Die eine Gruppe wurde gefragt, wie schnell die Autos waren, als sie „zusammenstießen“, in den anderen Gruppen wurde das Verb ersetzt durch „zusammenprallten“, „zusammenkrachten“ oder „sich berührten“. Die Manipulation kann aber auch die Einnahme eines Medikamentes (oder eines Placebopräparates) oder die 2-monatige Teilnahme an wöchentlichen Trainings beinhalten.
Schließlich folgt der Post-Test: Die abhängige Variable wird erneut gemessen und untersucht, ob es in den unterschiedlichen Gruppen unterschiedliche Verläufe gab. Ist das Medikament wirksam, sollte beispielsweise in der Experimentalgruppe eine größere Linderung der Beschwerden verzeichnet worden sein als in der Kontrollgruppe, die ein Placebopräparat eingenommen hat.
Oft gibt es dann noch eine Follow-Up-Untersuchung: Will man nachweisen, dass die Intervention langfristige Wirkung hatte, also es auch lange nachdem die Intervention abgeschlossen ist, noch nachhaltige Unterschiede zwischen den Gruppen gibt, müssen die Probanden zu einem späteren Zeitpunkt (z. B. 6 Monate oder 1 Jahr nach der Studie) nochmal untersucht werden.
Außerdem ist es wichtig Ausfälle, sogenannte Dropouts zu berücksichtigen: Angenommen, die Ergebnisse zeigen, dass ein Medikament ganz wunderbar wirkt und die Patienten kaum Nebenwirkungen berichten. Aber liegt das wirklich an der guten Wirkung? Möglicherweise haben alle Patienten, die unter starken Nebenwirkungen litten oder bei denen es keine Besserung gab, das Experiment beendet und nicht weiter an den Untersuchungen teilgenommen. Ausfallsraten müssen bedacht, möglichst gut analysiert und berichtet werden.
Manipulation Check
Gerade wenn die Manipulation subtil oder kaum wahrnehmbar ist, sollte in einer vorherigen Studie, einer sogenannten Pilotstudie, gezeigt werden, dass die Manipulation wirksam war. Soll zum Beispiel durch einen stimmungsvollen Film die Laune der Teilnehmenden verbessert und dann gezeigt werden, dass bei besserer Stimmung die Gedächtnisleistung besser wird, muss zuerst einmal gezeigt werden, dass der Film überhaupt eine positive Stimmung hervorrufen kann. Dies wird üblicherweise vorab mit einer anderen Stichprobe untersucht. Nur wenn der Manipulation Check erfolgreich war, ist es sinnvoll, das Experiment überhaupt durchzuführen.
Doppelblind-Studie
Es hat sich meist als vorteilhaft herausgestellt, wenn die Probanden nicht wissen, welcher Bedingung sie zugeteilt sind. Der Placeboeffekt ist ja gerade deswegen so wirkmächtig, weil die Personen glauben, sie nehmen (möglicherweise) einen Wirkstoff zu sich und er wirkt geringer, wenn diese Überzeugung nicht da ist.
Oft gibt es in Experimenten auch Beurteilungen von externen Personen: Soll z. B. getestet werden, ob eine Person nach einem Präsentationsseminar bessere Vorträge hält, muss ein Experte auswerten, wie gut ein bestimmter Vortrag war. Damit diese Beurteilung nicht verzerrt ist von dem Wissen, an welchem Training die Person teilgenommen hat, darf auch der Experte nicht wissen, welcher Gruppe der Proband zugeteilt war.
In diesem Fall spricht man von einem Doppelblind-Design.
Warum ist das Kontrolldesign so wichtig? Veränderungen geschehen oft mit der Zeit, wenn man zeigt, dass es einer Gruppe depressiver Personen nach einer Therapie besser geht, sagt das ohne Vergleichswerte noch wenig aus. Denn selbst wenn die Kontrollgruppe ein Wartegruppendesign ist, also keinerlei Gespräche oder Intervention erhält, verbessert sich deren Depression meist im Mittel über die Zeit. Es ist also wichtig zu zeigen, dass die Intervention besser wirkt als bisherige Verfahren oder Nichts-Tun.
Der Placeboeffekt hat sich immer wieder als sehr wirkmächtig herausgestellt: Wenn Personen davon überzeugt sind, ein wirksames Medikament einzunehmen, merken sie auch Verbesserungen, auch wenn es sich um Präparate ohne Wirkstoff handelt. So haben bunte Tabletten einen positiven Einfluss auf den Krankheitsverlauf, selbst wenn es sich nur um gepresste Stärke handelt.
Bunte Pillen erwecken den Anschein, als seien sie wirksam, selbst wenn sie keine wirkaktive Substanz enthalten. Das kann zum Placeboeffekt führen.
Warum macht man nicht immer Experimente?
Experimente sind nicht nur teuer und aufwändig, oft ist eine experimentelle Variation der unabhängigen Variablen technisch oder ethisch nicht möglich. Geschlechter kann man nicht randomisiert zuteilen, und wenn man die Auswirkungen von traumatischen Erlebnissen untersuchen möchte, ist es ethisch nicht möglich, einer Gruppe Gewalt auszusetzen.
Möchte man die Effekte von langjähriger Ehe auf die Gesundheit untersuchen, ist es ebenfalls nicht möglich, zufällig einigen Paaren eine Trennung aufzuzwingen und andere zu motivieren, zusammen zu bleiben.
In all diesen und noch viel mehr Fällen ist eine Manipulation nicht möglich, es bleibt nur noch der Rückgriff auf quasiexperimentelle Designs; in dem die Gruppen natürlich entstanden sind und nicht mehr durch eine Zufallsauswahl gesteuert werden.
In einigen Fällen ist eine experimentelle Manipulation nicht notwendig: Stellt man zum Beispiel fest, dass Personen an Feiertagen eine bessere Laune haben als an Wochentagen, hat die Studie zwar nur ein korrelatives Design, aber Alternativerklärungen zu der naheliegenden kausalen Wirkung sind ausgeschlossen: Es ist theoretisch unmöglich, dass die bessere Laune zu Feiertagen führt oder dass eine andere Drittvariable Feiertage und die gute Laune beeinflusst, da Feiertage festgelegt und nicht veränderbar sind.